Kindheit in Magdeburg

Geboren wird Frank Giering am 23. November 1971 in Magdeburg, wo er in einer für die ehemalige DDR typischen Neubausiedlung im Neustädter Feld im Norden von Magdeburg aufwächst. Die Wohnung an der Hans-Beimler-Straße [1], der heutigen Ulnerstraße [2], befin­det sich im fünften Stock. [3] Von seinem Kinderzimmer aus, das er sich mit seiner vier Jahre älteren Schwester teilt, geht sein Blick auf den Olvenstedter Graseweg. Sein großer Traum, Schauspieler zu werden, wird in diesem Raum geboren. Und auch später wird er sich immer wieder mit Wehmut an diesen Ort zurückerinnern. »Heimat ist der Ort, wo das, was man heute als Erinnerung bezeichnet, im Prinzip geboren wurde.« [4]

Seine Kindheit und Jugend beschreibt er in einem Interview bei Thadeusz als sehr behütet. [5] Dies wird mit ein Grund dafür gewesen sein, dass er sich auch als Erwachsener immer wie­der nach der Unbeschwertheit und Geborgenheit seiner Kindheit zurücksehnt, als er noch nicht das Gefühl hatte, jeden Tag aufs Neue bestehen zu müssen. [6]

So sehr er auch später immer wieder voller Zärtlichkeit und leiser Wehmut auf seine Kind­heit und seine Heimatstadt zurückblicken wird, so froh scheint er trotzdem zu sein, die typi­sche Magdeburger Mundart vollständig abgestreift zu haben. Obwohl er Dialekte im Grunde sehr mag – nur den eigenen nicht. »Ich könnte mich immer darüber wegschmeißen, wenn Leute Dialekt reden, zum Beispiel hier in Berlin. Wenn sie zu alltäglichen Dingen in ihrer Mund­art einen spontanen Kommentar finden. Das würde ich auch gern können. (...) Wir Magdeburger haben einen ganz schlimmen Dialekt. Eine seltsame Mischung aus Sächsisch und Berlinerisch, deshalb musste ich damals versuchen, den schnell loszuwerden. Das ist mir auch ganz gut gelungen.« [7]

Ein gravierender Einschnitt in diesem behüteten Leben ist die Trennung seiner Eltern im Alter von sieben Jahren. In einem Interview in der Talkshow Nachtcafé hat er sich als ein typisches Scheidungskind bezeichnet und als möglichen Grund für seine späteren Verlust­ängste eine Situation aus seiner Kindheit geschildert, in der er vor der Wahl gestanden habe, sich für den Elternteil zu entscheiden, bei dem er zukünftig leben wollte. Seine Eltern hatten ihm erklärt, »dass sie sich trennen werden und meine ältere Schwester sich schon entschieden hätte, zu meiner Mutter zu gehen. Ich habe dann aus Gerechtigkeit gesagt: ›Naja, wenn meine Schwester zu Mutti geht, dann gehe ich halt zum Vater‹ und mich für meinen Vater ent­schieden. Allerdings wollte der Vater – also mein leiblicher Vater - nicht, dass ich Kontakt zu meiner Mutter habe und hat mich dann immer ins Kinderzimmer ein­ge­sperrt. Ich konnte mit meiner Mutter dann nur durch die verschlossene Tür kom­mu­ni­zieren.« [8]

Dies mag einer der Gründe sein, dass das Verhältnis zu seiner Mutter, bei der er letzten Endes doch aufwuchs, Zeit seines Lebens sehr eng geblieben ist, so dass er in dem Ruf stand, ein Muttersöhnchen zu sein. [9]

Aber auch in anderer Hinsicht hat diese traumatische Erfahrung Spuren hinterlassen. Als Folge kann er mit Veränderungen generell schlecht umgehen. Er lebt in der ständigen Angst, dass ihn Menschen, die er liebt, verlassen könnten. [10] Diese Ängste werden auch einen großen Einfluss auf spätere Beziehungen haben.

Zwei Jahre später heiratet seine Mutter erneut. Das Verhältnis zu seinem Stiefvater wird als sehr gut beschrieben. Dietmar Schulze ist für Frank Giering wie ein leiblicher Vater und wird im Laufe der Jahre zu einer seiner wichtigsten Bezugspersonen. Je älter er wird, desto mehr wandelt sich die frühere Vater-Sohn-Beziehung in eine tiefe Freundschaft. Wann immer es ihn schlecht geht, wendet er sich an seinen Stiefvater. Und der ist stets zur Stelle, wenn Frank Giering einen Freund braucht. [11]


[1]     Hans Beimler war ein KPD-Politiker und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

[2]     Gemäß wikipedia erinnert die Benennung der Straße an den ersten evangelischen Abt des Klosters Berge Peter Ulner, abgerufen am 04.06.2016.

[3]     Hildebrandt, Antje: Ich bewundere Homer Simpson, in: Frankfurter Rundschau vom 07.12.2006 und Filmbeitrag Frank Giering, in: MDR um zwölf, Erstausstrahlung 27.06.2000, MDR.

[4]     Porträt Frank Giering, in: Sachsen-Anhalt heute vom 21.06.2001, MDR.

[5]     Interview Frank Giering, in: Thadeusz, Erstausstrahlung 09.03.2010, RBB.

[6]     Jung, Artur: Gesprengte Ketten, in: Cinema, Heft 3/1998, S. 144.

[7]     Liebisch, Annekatrin: Frank Giering: Ich bin gerne der Psychopath, in: http://www.monstersandcritics.de/artikel/200842/aticle_107693.php/ Frank-Giering-Ich-bin-gern-der-Psychopath, abgerufen am 28.08.2012.

[8]     Interview Frank Giering, in: Nachtcafé, Thema: Schatten der Vergangenheit, Erstausstrahlung11.03.2005, SWR.

[9]     Hübner, Katja: Der Sentimentale, in: Der Tagesspiegel vom 24.02.2010.

[10]    Interview Frank Giering, in: Nachtcafé, Thema: Schatten der Vergangenheit, Erstausstrahlung 11.03.2005, SWR und Wolff, Susanne: Der Träumer, in: http://www.viva.de/film.php?op=tv&what=show&Artikel_ID=49279, abgerufen am 28.08.2012 und Luxat, Stefanie: Auf einen Drink mit Frank Giering, in: Maxi, Heft 1/2007, S. 149.

[11]    Hunfeld, Frauke: Zu ängstlich fürs Leben, in: Der Stern, Heft 29/2010, S. 63 und Hübner, Katja et al: Absturz eines Seiltänzers, in: Berliner Zeitung vom 03.07.2010 und Reißing, Christine: Erinnerungen an ein Magdeburger Kind – Interview mit Frank Gierings Tante Gabriele Blumenfeld: in: http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/magdeburg/geburtstag-verstorbener-schauspieler-frank-giering-magdeburg-100.html, abgerufen am 23.11.2016.